Die NSA-Affäre zeigte zudem, dass die Aufgabe der Geheimdienste auch darin bestand,
Konkurrenzspionage zu betreiben. Dies wurde schon 2001 bekannt, als sich ein Ausschuss des Europäischen Parlaments mit „Echelon“ beschäftigte, einem globalen Abhörsystem der
Five Eyes
, das die globale Satellitenkommunikation abhörte
[54]
. Der Bericht des Ausschusses legt nahe, dass der Geheimdienstverbund gezielt die Kombun munikation von Unternehmen abhörte. Ausländische Unternehmen wurden ausspioniert, um inländischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Mit den erlangten Informationen konnten US-Unternehmen zum Beispiel ihren europäischen Konkurrenten bei Patentanmeldungen zuvorkommen
[55]
[56]
, oder sie in Verhandlungen ausstechen
[57]
[58]
. Den Snowden Leaks lässt sich entnehmen, dass Industriespionage auch zwölf Jahre später noch zu den strategischen Missionen der NSA gehörte
[59]
. Neben Russland und China gehörten auch Deutschland und Frankreich zu den Zielländern der NSA. Die Mission sah vor, jeglichen Vorsprung in kritischen Technologien zu unterbinden, der diesen Ländern militärische, ökonomische oder politische Vorteile verschaffen würde.
Dokumente der NSA beschreiben zudem das jahrelange, systematische und gezielte Abhören von Spitzenpolitiker:innen – darunter auch Angela Merkel
[60]
– und politischen Einrichtungen. Unter den politischen Zielen befand sich Berichten zufolge die Zentrale der Vereinten Nationen
[61]
, die Internationale Atomenergie-Organisation
[62]
und mittels Cyberangriff auf den belgischen Konzern Belgacom mutmaßlich auch die Europäische Kommission, der Europäische Rat, das Europäische Parlament und die NATO
[63]
.
In autoritären Staaten wie China oder Russland wurde der Vormarsch vernetzter Kommunikation als Bedrohung der bestehenden politischen Ordnung wahrgenommen
[5]
. Als eines der ersten Länder reagierte China mit einer Strategie der maximalen technischen Isolation und Kontrolle. Russland folgte diesem Beispiel wenige Jahre später. Die chinesische Regierung stützte sich dabei auf eine für sie typische Interpretation der nationalen Souveränität als Nicht-Einmischungsgebot. Im Kern habe sich kein anderes Land in chinesische Angelegenheiten einzumischen, dafür würde sich auch China nicht in die Angelegenheiten anderer Staaten (etwa in bewaffnete Konflikte) einmischen. Diese Souveränitätsrhetorik wurde seitens China schon in den frühen 2000er Jahren verwendet. Nach der NSA-Affäre 2013 fand sie mehr Anwendung auf den digitalen Kontext und wurde zu einer weiteren Interpretation digitaler Souveränität, die in ihrer radikalen Umsetzung jedoch weit vom europäischen Verständnis entfernt ist. Digitale Souveränität (hier meist „Cybersouveränität“ genannt) bedeutet in diesem Zusammenhang, Datenströme und digitale Infrastrukturen möglichst vollständig der nationalen Kontrolle zu unterwerfen.